14. April 2019
In Deutschland werden gentechnisch veränderte Pflanzen nur zu Forschungszwecken innerhalb von Forschungsinstituten angebaut. Trotzdem wurden im Jahr 2017 fast 35 Millionen Tonnen Sojabohnen und Sojaschrot aus Nord- und Südamerika in die Europäische Union importiert, um als Tierfutter Verwendung zu finden - nur ein Bruchteil davon war zertifiziert nicht gentechnisch verändert [1, 2]. Wie können gentechnisch veränderte Pflanzen erkannt werden? Und wie erfolgt ein Nachweis bei von Genscheren hervorgerufenen Mutationen?
Weltweit werden auf rund 190 Millionen Hektar Ackerfläche gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Das entspricht etwa 13% der insgesamt 1,4 Milliarden Hektar genutzten Ackerfläche. Vor allem in sieben Ländern werden gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut: USA (39%), Brasilien (26%), Argentinien (12%), Kanada (7%), Indien (6%), Pakistan (2%) und Paraguay (2%) [3]. Bei den angebauten Nutzpflanzen handelt es sich um Soja (50%), Mais (31%), Baumwolle (13%) und Raps (5%); zusätzlich werden in Nordamerika (USA und Kanada) gentechnisch veränderte Zuckerrüben angepflanzt, in den USA Alfalfa und auf Hawaii Papaya [3]. Innerhalb Europas wächst nur auf Äckern in Spanien und Portugal gentechnisch veränderter Mais. Dabei handelt es sich um die Sorte MON810, die momentan einzige zugelassene gentechnisch veränderte Nutzpflanze in der EU. Ein Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf deutschen Ackerflächen findet nicht statt [4].
Doch auch wenn gentechnisch veränderte Pflanzen hierzulande nicht angebaut werden, werden große Mengen davon importiert und als Tierfutter verwendet. Dies kann zu geringen aber nachweisbaren Verunreinigungen konventioneller, „ohne Gentechnik“ erzeugten Produkten führen. In der EU wurde deshalb ein Grenzwert festgelegt: befinden sich in Lebens- oder Futtermitteln mehr als 0,9% Beimischungen gentechnisch veränderter Organismen (bezogen auf die jeweilige Zutat), muss das entsprechende Produkt als Gentechnik-enthaltendes Produkt gekennzeichnet werden [5].
Um gentechnisch veränderte Organismen erkennen zu können, sind oft genetische Analysemethoden notwendig. Die angebauten, gentechnisch veränderten Pflanzen beinhalten entweder zusätzliche Gene, die zu einer Herbizidtoleranz führen (47%), Gene zur Produktion eines eigenen Insektengifts (12%) oder beidem (41%) [3]. Da diese Eigenschaften von außen nicht ersichtlich sind, ist der Phänotyp, also das Erscheinungsbild dieser Pflanzen, nicht zu unterscheiden von herkömmlichen Nutzpflanzen der gleichen Art. Der Genotyp, also die Gesamtheit des Erbmaterials dieser Pflanzen, unterscheidet sich hingegen schon.
Um gentechnisch veränderte Organismen überhaupt als Lebens- und Futtermittel deklarieren zu können, fordert die EU klare Methoden zur Erkennung, Identifizierung und Quantifizierung jedes einzelnen Produktes, bevor es für den Verkauf zugelassen wird. Es ist die Pflicht des Unternehmens, das die Zulassung beantragt, alle nötigen Informationen vorzulegen, um die Entwicklung eines spezifischen Nachweisverfahrens zu ermöglichen. Erst wenn das Verfahren standardisiert ist, kann eine Zulassung des gentechnisch veränderten Organismus erfolgen [6].
Die Möglichkeit gentechnisch veränderte Pflanzen von unveränderten zu unterscheiden beruht vor allem auf der Tatsache, dass artfremde Gene in diese Pflanzen eingebracht wurden. Die Gene für eine Herbizidtoleranz stammen meist aus dem Bakterium CP4 oder Streptomyces viridochromogenes . Die zusätzlich eingebrachte Insektenresistenz erhalten gentechnisch veränderte Pflanzen von einem Gen des Bakteriums Bacillus thuringiensis [7]. Das Standardverfahren zum Nachweis gentechnisch veränderter Organismen ist die Polymerase Kettenreaktion ( polymerase chain reaction , PCR).
Manche Gene beeinflussen unmittelbar das äußere Erscheinungsbild eines Lebewesens und lassen unterschiedliche Ausprägungen eines Merkmals zu. Beim Menschen sind solche offensichtlichen Merkmale beispielsweise Haut-, Haar- und Augenfarbe. Man kann also direkt am Merkmal, also dem Phänotypen, auf das Gen, also den Genotypen, schließen.
Nicht so leicht ist dies bei Genen, die keinen Einfluss auf das äußere Erscheinungsbild haben. Ein Beispiel wäre Laktoseintoleranz. Laktoseintoleranz kann unter anderem durch eine Mutation in dem für das Verdauungsenzym Laktase kodierenden Gen beruhen. Obwohl also eine genetische Veränderung vorliegt, ist dies von außen nicht ersichtlich. Um den Gendefekt festzustellen, sind genetische Untersuchungen nötig.
Hierbei wird das Enzym Polymerase eingesetzt, welches in jedem Organismus für die Vervielfältigung der DNA zuständig ist. Durch Zugabe der einzelnen DNA-Bausteine, der Nukleotide, sowie bestimmter Salze ist die Polymerase in der Lage im Reagenzglas anfänglich geringe Mengen DNA zu vervielfältigen, sodass diese auf ihre Länge oder Sequenz untersucht werden kann. Nachteil der PCR Methode ist die Abhängigkeit von Primern, RNA-Sonden, die bestimmte Abschnitte der zu überprüfenden DNA binden müssen und der Polymerase als Startpunkt dienen. Das bedeutet, dass nur bereits bekannte DNA-Abschnitte vervielfältigt und analysiert werden können. Der große Vorteil der momentan zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen ist die Tatsache, dass die eingebrachten Gene artfremd sind und somit in natürlichen Pflanzen nicht vorkommen. Primer gegen die eingebrachten Gene binden also grundsätzlich nur in den gentechnisch veränderten Pflanzen, während in natürlichen Pflanzen erst gar kein DNA-Abschnitt vervielfältigt wird.
Prinzipiell teilt man die Anwendung von Genscheren wie CRISPR/Cas9 in drei Kategorien ein. Die Einteilung bezieht sich auf den Umfang der vorgenommenen Veränderungen im Erbgut des Zielorganismus.
Kategorie 1:
Die Genschere wird in die Zielzelle eingebracht, schneidet den DNA-Doppelstrang und leitet dadurch einen zelleigenen Reparaturmecha-nismus ein. Bei der Reparatur werden die getrennten Enden des Doppelstranges durch Reparatur-enzyme wieder zusammengeklebt, allerdings kommt es dabei häufig zu Fehlern, sodass einzelne Basen vertauscht werden können, kürzere Fragmente des Erbguts verloren gehen oder andere Fragmente fälschlicherweise eingefügt werden.
Dieser Mechanismus wird im englischen als „Non-homologous end-joining“ (NHEJ) bezeichnet. Die entstandenen Mutationen entstehen zwar im gewünschten Abschnitt des Erbguts, die Veränderungen der DNA selbst sind allerdings nicht steuerbar.
Kategorie 2:
Bei dieser Art der Anwendung wird ein DNA-Abschnitt mit in die Zelle eingeführt, die mutiert werden soll. Der DNA-Abschnitt unterscheidet sich nur in einigen wenigen Basen von der Sequenz, die von der Genschere geschnitten werden soll. Wenn die Genschere den DNA-Doppelstrang der Zelle zerschneidet, wird zur Reparatur des Bruchs der eingebrachte DNA-Abschnitt als Vorlage genutzt. Dadurch kommt es nicht wie bei Kategorie 1 zu zufälligen Mutationen rund um die Schnitt-region, sondern zu gezielten Mutationen, nämlich denjenigen die auf dem eingebrachten DNA-Abschnitt bereits vorgegeben waren. Diese Art des Reparaturmechanismus wird als „Homology-directed repair“ (HDR) bezeichnet. Im Vergleich zu Kategorie 1 sind bei diesem Ver-fahren sowohl der Ort der Mutation als auch die erzeugte Mutation gesteuert.
Kategorie 3:
Die dritte Art der Anwendung von Genscheren nutzt ebenfalls den HDR Mechanismus, das bedeutet, auch hier wird ein DNA-Abschnitt als Vorlage für die gewünschte spätere Mutation in die Zelle gebracht. Der Unterschied zu Kategorie 2 liegt in der Länge und den enthaltenen Informationen des hinzugefügten DNA-Abschnitts.
Während bei Kategorie 2 nur minimale Veränderungen in ein paar Basen des DNA-Abschnitts im Vergleich zur Zielsequenz vor-genommen werden, werden bei Kategorie 3 lange DNA-Sequenzen mit zusätzlichen Genen eingebracht. Dabei kann es sich sowohl um arteigene als auch um artfremde Gene handeln. Ort und Art der Mutation sind gesteuert und es werden zusätzliche genetische Informationen in das Erbgut eingebracht.
Im Juli 2018 entschied der europäische Gerichtshof in Luxemburg, dass auch Organismen, die durch sogenannte Genscheren wie CRISP/Cas9 oder TALEN hergestellt wurden, unter die EU-Richtlinien für gentechnisch veränderte Organismen fallen [8]. Somit gelten die gleichen strengen Regularien wie für die älteren Verfahren zur Herstellung gentechnisch veränderter Organismen. Das heißt, es müssen auch entsprechende Nachweisverfahren zur Verfügung stehen. Das Problem: je nach Anwendung der Genschere gibt es keine nachweisbaren Unterschiede zu Pflanzen, die aus Mutationszüchtungen hervorgegangen sind oder sogar aus natürlich entstandenen Mutationen [9].
Die Mutationszüchtung ist eine Züchtungsmethode, bei der Saatgut gezielt mutagener Strahlung (Röntgenstrahlung oder Radioaktivität) oder mutagenen Substanzen (beispielsweise Ethylmethansulfonat) ausgesetzt wird, um die genetische Variabilität zu erweitern. Im Genom des Saatguts kommt es zu unkontrollierten, zufällig erzeugten Mutationen, aus denen eventuell positive Eigenschaften hervorgehen. Ein Großteil der entstandenen Mutationen ist unbrauchbar, weil sie die Lebensfähigkeit der Pflanze vermindern. Die wenigen Pflanzen mit wünschenswerten neuen Eigenschaften werden ausgewählt und für Rückkreuzungen und die weitere Züchtung verwendet. Obwohl diese Art der Züchtung komplett unkontrolliert abläuft und oft mehrere Gene in den ausgewählten Pflanzen mutiert sind, ist die Mutationszüchtung von den Regularien für gentechnisch veränderte Organismen ausgenommen und bedarf keinerlei Prüfung oder Kennzeichnung [10, 11, 12]. Radioaktivität wird in der Mutationszüchtung seit 1964 eingesetzt. Bereits über 2300 neue Pflanzensorten sind durch diese Methode entstanden, unter anderem mutierter Reis, Weizen, Gerste, Hafer, Soja, Mais und Raps sowie Zuckerrüben, Kartoffeln, Erdnüsse, Bohnen, Tomaten, Äpfel, Birnen, Aprikosen, Kirschen, Pfirsiche, Zitronen, Orangen, Papayas, Grapefruits, Oliven und Pfefferminze [13]. Da jedoch keine Dokumentationspflicht über auf diese Weise durchgeführte Züchtungsexperimente bestand, ist heute nicht mehr nachvollziehbar, welche genutzten Sorten mutierte Gene enthalten. Mutationszüchtung ist immer noch die hauptsächlich angewendete Methode, um neue Eigenschaften hervorzubringen. Dies liegt daran, dass die durch Bestrahlung gewonnenen Sorten ohne Sicherheitsauflagen angebaut und verkauft und somit relativ günstig erzeugt werden können [13].
Werden mittels Genschere nur wenige Basenpaare im Genom einer Pflanze verändert (Kategorie 1), besteht zurzeit nahezu keine Möglichkeit dies nachzuweisen. Eine Unterscheidung zu Mutationen, die auf natürliche Weise (z. B. durch UV-Strahlung oder natürlich vorkommende Mutationen während der Vervielfältigung des Erbguts) oder durch Mutationszüchtung hervorgerufen worden sind, ist unmöglich [9]. Dies liegt daran, dass die Genschere selber nicht im Genom der veränderten Pflanze enthalten sein muss. Es ist möglich, das Gen für die Genschere entweder wieder herauszukreuzen oder es von vornherein nur vorübergehend in die Pflanze einzuschleusen. Der gentechnisch veränderte Nachkomme trägt dann zwar die gewünschte Genmutation, die durch die Genschere erzeugt worden ist, nicht jedoch die Genschere selbst. Die gentechnisch veränderte Pflanze enthält folglich kein artfremdes Genmaterial. Ein Nachweis der eingebrachten Mutationen mittels PCR ist nur möglich, wenn der mutierte DNA-Abschnitt bekannt ist. Der Abschnitt kann dann vervielfältigt und seine Sequenz anschließend ermittelt werden.
Eine zusätzliche Problematik ergibt sich, wenn die zu untersuchenden Pflanzen vermischt sind, das heißt wenn nicht mutierte und mutierte Pflanzen mittels PCR untersucht werden sollen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn importiertes Saatgut auf Verunreinigungen überprüft werden soll. Bisher war eine Verunreinigung natürlicher Pflanzen mit gentechnisch veränderten problemlos feststellbar, da die PCR Methode zuverlässig nur die artfremden DNA-Abschnitte vervielfältigt hat. Bei durch Genscheren veränderten Pflanzen, deren Erbgut sich eventuell nur in einzelnen Basenpaaren von dem von unveränderten Pflanzen unterscheidet, wird der DNA-Abschnitt aller Pflanzen gleichermaßen vervielfältigt und die Auswertung der DNA-Sequenz zeigt lediglich an, dass sich manche Basen voneinander unterscheiden. Ob diese Mutationen beispielsweise auf natürlich vorkommende Fehler der Vervielfältigung des Erbguts während der Zellteilung zurückgehen oder gezielt eingebracht worden sind, ist nicht feststellbar [9].
Noch komplizierter wird es, wenn keine Informationen über den mutierten DNA-Abschnitt vorliegen, wenn das gesamte Erbgut also ungezielt auf gentechnische Veränderungen geprüft werden soll. Auch hier gilt, dass mittels PCR mit Primern gegen artfremde DNA-Abschnitte gentechnisch veränderte Pflanzen identifiziert werden können, unabhängig davon, mit welcher Methode (klassisch oder Genschere, Kategorie 3) das artfremde Material in die Pflanze eingebracht worden ist. Wurde die gentechnisch veränderte Pflanze mit Hilfe einer Genschere hergestellt und beinhaltet nur einige Mutationen (Kategorie 1), ist die PCR Methode machtlos, diese zu identifizieren [9].
Um dennoch feststellen zu können, ob Mutationen vorliegen, muss das gesamte Erbgut der Pflanze entschlüsselt und analysiert werden. Hierzu benötigt man nicht nur vergleichsweise viel Pflanzenmaterial, sondern auch eine gute Vergleichssequenz einer unveränderten Pflanze sowie im besten Fall Informationen der DNA-Sequenz der Vorfahren, um natürlich vorkommende Mutationen von gezielt herbeigeführten Mutationen unterscheiden zu können [9].
Alles in allem wären diese Analysen sehr zeitintensiv und arbeitsaufwändig und es bedarf neuer Datenbanken, die diese Informationen beinhalten. Dennoch gilt auch hier, dass Mutationen im Erbgut der Pflanze zwar gefunden werden können, die Methode, mit welcher diese erzeugt worden sind (Mutationszüchtung oder Genschere), bleibt allerdings ein Rätsel.
Bei früheren Methoden zur Herstellung gentechnisch veränderter Organismen wurden artfremde DNA-Abschnitte oder typische transgene Elemente eingebracht, die als Ausgangspunkt für den Nachweis eines gezielt veränderten Lebewesens genutzt werden konnten. Die neuen Verfahren wie der Einsatz von Genscheren hinterlassen oftmals keine artfremde DNA oder andere auffällige Veränderungen im Erbgut des gentechnisch veränderten Organismus, wodurch eine ungezielte Identifizierung als gentechnisch verändertes Lebewesen in den meisten Fällen unmöglich macht. Das wird die Überprüfung von Saatgut sowie von Lebens- und Futtermitteln vor große Herausforderungen stellen.
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