3. April 2020
Der momentan verfügbare Test auf eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 basiert auf der Polymerase-Kettenreaktion. Obwohl diese Methode sehr präzise funktioniert, können nur frisch infizierte Menschen damit getestet werden. Menschen in einer späteren Phase der Infektion oder bereits geheilte Menschen erfasst der Test hingegen nicht [1]. Um dennoch die Ausbreitung des Virus innerhalb der Bevölkerung nachvollziehen zu können, sind sogenannte Antikörpertests nötig.
Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 dominiert nach wie vor unseren Alltag, die Medienberichte und das Politikgeschehen. Die Zahl infizierter Menschen weltweit steigt weiterhin an und damit einhergehend leider auch die Zahl der Toten [2]. Doch die genaue Zahl der Personen, die sich nachweislich mit SARS-CoV-2 infiziert haben, ist im Grunde unbekannt. Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen verläuft eine Infektion häufig ohne schwere Symptome oder sogar scheinbar ganz ohne Symptome, man nennt dies asymptomatisch. Infizierte, die gar nicht mitbekommen, dass sie sich mit dem Virus infiziert haben, lassen sich auch nicht auf das Virus testen. Ihre Infektion bleibt somit unentdeckt. Zum anderen sind die Testlabore für den momentan verfügbaren „Corona-Test“ mittels Polymerase-Kettenreaktion ( polymerase chain reaction , PCR) bereits jetzt voll ausgelastet. (Wie der „Corona-Test“ mittels PCR funktioniert, wird hier erklärt). Zwar liegt Deutschland bei der Anzahl durchgeführter Tests im europäischen und internationalen Vergleich recht weit vorne, viele Menschen mit COVID-19 Symptomen werden jedoch trotzdem nicht getestet, weil die Kapazitäten ausgelastet sind. Es kann also von vielen Infizierten ausgegangen werden, deren Infektion nicht erfasst worden ist [1, 3]. Um diese Dunkelziffer an Infizierten und damit die Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung, sowie die Immunität der Bevölkerung gegenüber dem Virus bestimmen zu können, sind immer wieder bald verfügbare Antikörpertests im Gespräch. Aber wie funktionieren diese überhaupt?
Wie der Name schon sagt, basieren Antikörpertests auf dem Vorhandensein von Antikörpern. Diese werden vom menschlichen Immunsystem als Antwort auf eine Infektion mit einem Krankheitserreger selbst hergestellt.
Widmen wir uns kurz dem menschlichen Immunsystem. Allgemein besteht unser Immunsystem aus zwei Reaktionen gegen einen Krankheitserreger. Die erste Reaktion ist die angeborene Immunantwort. Angeboren bezieht sich auf den Umstand, dass ihr Vorgehen im Falle einer Infektion bereits im Erbgut festgelegt ist. Zu dieser Immunantwort zählen sowohl Barrieren, die das Eindringen von Krankheitserregern verhindern sollen, wie beispielsweise unsere Haut, als auch bestimmte Blutzellen, die den eingedrungenen Krankheitserreger direkt bekämpfen. Zusätzlich zählen zur angeborenen Immunantwort im Blut und in der Gewebeflüssigkeit zirkulierende Proteine, die als Botenstoffe die Abwehr von Krankheitserregern regulieren oder direkt den Krankheitserreger schädigen. Die angeborene Immunantwort reagiert schon nach wenigen Minuten auf einen eingedrungenen Krankheitserreger und ist in der Lage diesen zu beseitigen [4, 5].
Die zweite Reaktion ist die erworbene oder auch adaptive Immunantwort. Diese reagiert erst später auf einen eingedrungenen Krankheitserreger, ist dafür aber sehr spezifisch und in der Lage ein sogenanntes immunologisches Gedächtnis auszubilden. Sie kann sich also an bereits bekannte Krankheitserreger erinnern. Eine Infektion mit einem bereits bekannten Krankheitserreger kann deshalb vom erworbenen Immunsystem schnell erkannt und beseitigt werden. Auf diesem Prinzip basiert auch das Impfen. Die erworbene Immunantwort funktioniert größtenteils über bestimmte Immunzellen und von diesen Zellen gebildeten Rezeptoren auf der Zelloberfläche. Bei länger andauernder Infektion mit einem Krankheitserreger aktiviert die angeborene Immunantwort die Zellen der erworbenen Immunantwort, wozu auch die T- und B-Zellen gehören. Antikörper, auch als Immunglobuline (Ig) bezeichnet, sind Proteine, die ausschließlich von B-Zellen hergestellt werden, und sind mit 20% Masseanteil die häufigsten Proteine im menschlichen Blutplasma [4].
Einfach ausgedrückt bilden sie den Gegenspieler zum Krankheitserreger. Jede B-Zelle stellt einen ganz bestimmten Antikörper her, der an einen ganz bestimmten Fremdstoff binden kann. Der Fremdstoff, den der Antikörper binden kann, wird als Antigen bezeichnet und kann ein Protein, eine Fettsäure, oder auch ein Zuckermolekül sein. Es gibt Milliarden unterschiedliche Antikörper, die alle ein anderes Antigen binden können und jeweils von nur einer ganz bestimmten B-Zelle hergestellt werden. Erst wenn der Körper einen dieser Milliarden Antikörper gegen einen eingedrungenen Fremdstoff benötigt, wird dessen Produktion angekurbelt, indem sich die B-Zelle vermehrt [4].
Das läuft wie folgt ab: Zunächst wird der Antikörper in die Zellmembran der B-Zelle eingebaut und dient als Rezeptor für das entsprechende Antigen. Sobald eine B-Zelle mit ihrem Antikörper auf das Antigen trifft und es bindet, wird sie aktiviert. Das bedeutet, dass sie anfängt sich zu vermehren und zusätzlich den Antikörper nicht nur auf ihrer Oberfläche präsentiert, sondern ihn auch ins Blut absondert. Dabei können bis zu 2000 Antikörper pro Sekunde ausgeschüttet werden. Die freigesetzten Antikörper binden dann an das Antigen, zum Beispiel ein Oberflächenprotein eines Virus, und verhindern auf die Weise, dass das Virus weitere Zellen infizieren kann. Zusätzlich erleichtern die gebundenen Antikörper anderen Immunzellen, das Virus unschädlich zu machen [4].
Es gibt verschiedene Klassen von Antikörpern, die unterschiedliche Funktionen haben. An dieser Stelle ist nur wichtig, dass eine B-Zelle bei einer akuten Infektion Antikörper der Klasse IgM produziert, während sie im späteren Verlauf der Infektion und auch noch lange nachdem die Infektion vorüber ist, Antikörper der Klasse IgG herstellt [4]. Durch die Unterscheidung der jeweiligen Antikörperklasse kann bei einem Antikörpertest somit der aktuelle Status einer Infektion bzw. eine erworbene Immunität festgestellt werden.
Beginnen wir zunächst mit einer einfachen Frage: was soll ein Antikörpertest nachweisen? Die Antwort: Der Test soll anzeigen, ob eine Person bereits Antikörper gegen einen Fremdstoff, in dem Fall das SARS-CoV-2 Virus, ausgebildet hat. Je nach gebildetem Antikörper lässt sich daraus auf eine immer noch andauernde Infektion (IgM) oder eine bereits erlangte Immunität gegen das Virus (IgG) schließen [4, 6]. Um zuverlässige Antikörpertests zu entwickeln, benötigt man ein Nachweisverfahren, das die gegen den Krankheitserreger gebildeten Antikörper sichtbar macht. Dazu wird ein biologisches Verfahren namens ELISA, Enzyme-linked Immunosorbent Assay , verwendet. Der ELISA kann in verschiedenen Varianten genutzt werden, allen gemeinsam ist aber, dass viele Proben parallel getestet werden können und eine Auswertung mittels einer einfachen Farbreaktion erfolgt [7, 8].
Der ELISA macht sich die Eigenschaft von Antikörpern zunutze, an ein bestimmtes Antigen zu binden. Genau dieses Antigen wird dem Antikörper nämlich präsentiert. Für das SARS-CoV-2 Virus werden Proteine oder Teile dieser Proteine als Antigene verwendet, die im Virus sehr häufig vorkommen und eigentlich in allen Patienten vom Immunsystem erkannt werden müssten. Dabei handelt es sich z. B. um das Spike Glykoprotein der Virushülle oder das Nucleokapsid-Protein, das mit dem Erbgut des Virus interagiert. Diese Virenproteine oder Teile davon können im Labor in großen Mengen hergestellt und aufgereinigt werden [1, 9]. Für den ELISA werden diese dann anschließend auf dem Boden eines kleinen Reaktionsgefäßes aus Plastik angebracht. Die Beschichtung des Plastikbodens mit dem Antigen benötigt für jedes Antigen bestimmte Bedingungen und ihr Erfolg hängt z. B. von der verwendeten Antigen-Konzentration und des pH-Werts der benutzten Pufferlösung ab. Die Virenproteine gehen dabei eine direkte Verbindung mit dem Plastik ein [7]. Mit den am Plastikboden festsitzenden Virenproteinen können im nächsten Schritt Antikörper aus Blutproben von potentiell infizierten Patienten eingefangen werden. Dabei wird der Versuchsperson zunächst Blut abgenommen und daraus mittels kurzer Zentrifugation zur Entfernung der Blutzellen das Blutplasma gewonnen. Das Blutplasma kann dann direkt in das mit dem Antigen beschichteten Reaktionsgefäß gegeben werden [9]. Sofern in der Blutprobe Antikörper gegen das präsentierte Antigen vorhanden sind, binden diese an das Antigen. Im nächsten Schritt wird das Blutplasma abgewaschen und im Reaktionsgefäß bleiben nur die an das Antigen, also das Virusprotein, gebundenen Antikörper haften. Diese kann man aber natürlich noch nicht sehen. Um die eingefangenen Antikörper sichtbar zu machen, wird beim indirekten ELISA noch ein weiterer Schritt benötigt, nämlich die Zugabe weiterer Antikörper. Bei diesen sogenannten Zweit- oder sekundären Antikörpern handelt es sich um Antikörper, die ganz allgemein menschliche Antikörper erkennen und binden. Zusätzlich ist an diese Zweitantikörper ein Enzym gekoppelt, das eine chemische Farbreaktion umsetzt. Bevor die Farbreaktion gestartet wird, wird das Reaktionsgefäß noch mehrere Male gewaschen, um nicht gebundene Zweitantikörper zu entfernen [7, 8].
Also nochmal zusammengefasst: am Boden eines Reaktionsgefäßes werden die Virusproteine befestigt. Dann wird das Blutplasma eines Patienten in das Reaktionsgefäß gegeben. Sind im Blutplasma Antikörper gegen die Virusproteine enthalten, binden diese an das am Boden befestigte Virusprotein und bleiben dort auch nach mehreren Waschvorgängen, mit denen das restliche Blutplasma wieder entfernt wird, haften. Nun werden Zweitantikörper in das Reaktionsgefäß gegeben, die an die Erstantikörper binden und an denen ein Enzym befestigt ist, das eine Farbreaktion in Gang setzt. Mit Hilfe dieser Farbreaktion kann letztendlich sichtbar gemacht werden, ob in dem hinzugegebenen Blutplasma überhaupt Antikörper gegen das Virus vorhanden waren. Findet nämlich keine Farbreaktion statt, bedeutet das, dass der Zweitantikörper nicht an einen Erstantikörper gebunden hat, sondern wieder aus dem Reaktionsgefäß gewaschen wurde.
Wie läuft die Farbreaktion ab? Für die Farbreaktion werden vor allem zwei Enzyme häufig verwendet, nämlich entweder Meerrettichperoxidase (horseradish peroxidase, HRP) oder Alkalische Phosphatase (AP). Für eine durch die Meerrettichperoxidase betriebene Farbreaktion werden Wasserstoffperoxid und eine zu dem Zeitpunkt noch farblose Substanz in das Reaktionsgefäß gegeben. Die Meerrettichperoxidase spaltet das Wasserstoffperoxid und sorgt dadurch für die Oxidation der hinzugegebenen Substanz, welche dadurch zu einem farbigen Endprodukt wird [10]. Bei der Farbreaktion mittels Alkalischer Phosphatase (AP) wird ebenfalls eine zunächst farblose Substanz in das Reaktionsgefäß gegeben. Die Alkalische Phosphatase spaltet von dieser Substanz ein Phosphat ab, wodurch es zu einer Färbung kommt [11]. In beiden Fällen kann die Färbung mit dem bloßen Auge beobachtet werden, geeignete Geräte können den Grad der Färbung sogar genau bestimmen [8]. Neben solchen Farbreaktionen können auch Zweitantikörper zum Einsatz kommen, die fluoreszieren, also nach Anregung mit Licht einer bestimmten Wellenlänge Licht einer anderen Wellenlänge aussenden [8]. Dies kann im Labor ebenfalls sichtbar gemacht werden. Das für den ELISA verwendete Reaktionsgefäß ist sehr klein, sodass meist Mikrotiterplatten verwendet werden. Das sind Plastikplatten mit mehreren, in Reihen angeordneten Vertiefungen (beim ELISA meist 96 oder 384), wobei jede dieser Vertiefungen als eigenständiges Reaktionsgefäß genutzt werden kann. In einer Platte können also 96 oder 384 Blutproben parallel untersucht werden, wobei manche Vertiefungen natürlich für Kontrollen genutzt werden, und die ganze Platte kann von einem Gerät auf die Stärke der auftretenden Farbreaktion ausgewertet werden. Die Arbeitsdauer für eine Platte beträgt etwa zwei Stunden, kann aber auch größtenteils maschinell im Hochdurchsatz verarbeitet werden.
Prinzip eines ELISA
Beim direkten ELISA wird ein enzymgekoppelter Erstantikörper für die Farbreaktion verwendet, sodass der Einsatz eines Zweitantikörpers nicht mehr nötig ist (nicht gezeigt). Dazu müssen allerdings gegen jedes nachzuweisende Antigen spezifische Erstantikörper mit einem Enzym gekoppelt werden. Dies ist sehr teuer und je nach Antigen-Anzahl auch sehr aufwändig. Der indirekte ELISA umgeht dieses Problem, indem ein enzymgekoppelter Zweitantikörper für die Farbreaktion verwendet wird. So muss zwar immer noch für jedes Antigen ein spezifischer Erstantikörper vorhanden sein, aber die Farbreaktion kann für alle Proben mit dem gleichen Zweitantikörper durchgeführt werden. Ein weiterer Vorteil des indirekten ELISA ist die Verstärkung der Farbreaktion. Da mehrere Zweitantikörper auf einmal an den Erstantikörper binden können, kommt es zu einem stärkeren Farbumschlag.
Die oben beschriebene Anwendung eines ELISA zielt darauf ab, die Ausbreitung oder eine bereits vorhandene Immunität gegen das neuartige Coronavirus festzustellen, indem möglichst viele Menschen auf gegen das Virus gerichtete Antikörper getestet werden [1, 3, 6]. Da das Immunsystem Antikörper gegen SARS-CoV-2 erst nach acht bis zwölf Tagen produziert, eignet sich die oben beschriebene ELISA-Methode nicht zum Nachweis einer akuten Infektion mit dem Virus [1, 6]. In etwas anderer Form lässt sich der ELISA aber auch dazu verwenden, festzustellen, ob eine Person mit dem Virus frisch infiziert ist. Auch hierbei hängt alles von Antikörpern ab.
Beim sogenannten Sandwich-ELISA wird nicht das Antigen am Boden des Reaktionsgefäßes befestigt, sondern stattdessen der gegen das Antigen gerichtete Antikörper. Wie kann der Sandwich-ELISA zum Nachweis einer Infektion mit SARS-CoV-2 verwendet werden? Stellen wir uns vor, es wurden bereits ausreichend COVID-19 Patienten untersucht und in ihren Blutproben Antikörper gefunden, die das SARS-CoV-2 Virus sehr gut detektieren, also bestimmte Virusproteine erfolgreich binden. Solche Antikörper können zum Beispiel über die oben beschriebene ELISA-Methode ausfindig gemacht werden [9]. Anschließend können die Antikörper-produzierenden Immunzellen aus den Blutproben dieser Patienten im Labor in Kultur genommen werden und so der entsprechende Antikörper in hohem Maße hergestellt werden. Diesen Antikörper, der also sehr gut an Proteine von SARS-CoV-2 bindet, wird jetzt an den Boden einer ELISA Mikrotiterplatte befestigt. Nun können Proben eines Rachenabstrichs von eventuell infizierten Patienten in die Reaktionsgefäße der Mikrotiterplatte gegeben werden. Da der am Boden befestigte Antikörper spezifisch SARS-CoV-2 Proteine bindet, fängt er in Proben von infizierten Patienten die Virusproteine ein, die jetzt fest an dem Antikörper haften [4, 9]. Als nächstes werden in das Reaktionsgefäß zwei weitere Antikörper gegeben, nämlich ein Erstantikörper, der ebenfalls die Virusproteine erkennt und an diese bindet und anschließend ein Zweitantikörper, der den Erstantikörper erkennt und an dem ein Enzym für die Ausführung einer Farbreaktion befestigt ist, also der Gleiche wie bereits oben beschrieben [7, 8]. Zusammengefasst funktioniert der Sandwich-ELISA zum Nachweis einer SARS-CoV-2 Infektion also wie folgt: ein Antikörper, der die Virusproteine erkennt und bindet, wird am Boden des Reaktionsgefäßes befestigt. Als nächstes wird die Probe eines möglicherweise infizierten Patienten in das Reaktionsgefäß gegeben. Befinden sich in der Probe Proteine des SARS-CoV-2 Virus, werden sie von dem am Boden befestigten Antikörper eingefangen und somit im Reaktionsgefäß festgehalten. Als nächstes wird ein weiterer Antikörper in das Reaktionsgefäß gegeben, der ebenfalls die Virenproteine erkennt und bindet. Im letzten Schritt wird wie oben bereits beschrieben ein Zweitantikörper hinzugegeben, der den Erstantikörper erkennt und ein Enzym für eine Farbreaktion enthält. Über das Ausführen der Farbreaktion kann somit letztendlich festgestellt werden, ob in einer Probe das Virus vorhanden ist oder nicht. Der Sandwich-ELISA erhält seinen Namen aufgrund der Tatsache, dass das Antigen, also in dem Fall die Virusproteine, zwischen zwei Erstantikörpern eingeschlossen wird.
Auf ähnliche Weise lassen sich Antikörper auch für Schnelltestes verwenden, sogenannte Lateral Flow Tests. Die bekanntesten Schnelltests, deren Funktionsweise auf Antikörpern basiert, sind Schwangerschaftstests und Influenza-Schnelltests [12]. Das Prinzip ist ähnlich wie beim Sandwich-ELISA, der Test wird aber nicht in Mikrotiterplatten durchgeführt. Stattdessen werden Teststreifen verwendet. Sehen wir uns das Ganze im Detail an:
Für einen Lateral Flow Test wird ein Teststreifen aus speziellem, porösem Papier verwendet und erlaubt damit den Transport aufgesaugter Flüssigkeit entlang seiner Oberfläche. Wird der Teststreifen also mit einer Seite in Flüssigkeit eingetaucht, wird die Flüssigkeit durch die Kapillarwirkung über den Teststreifen geleitet. Jeder kennt das von einem Blatt Papier, das an einer Ecke nass geworden ist und bei dem sich das Wasser anschließend weiter über das Papier ausbreitet. Die mit dem Teststreifen aufgesaugte Flüssigkeit ist in dem Fall eine in Lösungsmittel verdünnte Probe eines Rachenabstrichs eines möglicherweise infizierten Patienten, der auf eine SARS-CoV-2 Infektion getestet werden soll. Die zu untersuchende Probe enthält also Teile des Virus und wandert jetzt mit der Flüssigkeit über den Teststreifen.
Auf dem Teststreifen gibt es bestimmte Abschnitte, die für den Nachweis einer Infektion wichtig sind. Der erste Abschnitt, durch den die Probe wandert, enthält getrocknete Antikörper, die die Virusproteine erkennen können. An diesen Antikörpern sind bestimmte Moleküle befestigt, die bei ihrer Anreicherung eine Verfärbung oder einen anderweitig sichtbaren Nachweis zulassen [12]. Die Flüssigkeit löst die getrockneten Antikörper, sodass sich diese entsprechend an das Antigen, in dem Fall die Virusproteine, anheften. Die Flüssigkeit samt Probe und gebundenen Antikörpern wandert nun weiter auf dem Teststreifen in einen Bereich in dem sich andere Antikörper gegen die Virusproteine befinden. Diese sind aber an der Oberfläche des Teststreifens befestigt und lösen sich nicht in der Flüssigkeit.
Wenn die Probe diesen Bereich passiert, fangen die dort auf der Oberfläche befestigten Antikörper die Virusproteine ein und reichern so die daran gebundenen Antikörper aus dem ersten Abschnitt des Teststreifens samt der Moleküle für einen Farbnachweis in dem kleinen Bereich auf dem Teststreifen an. Der Rest der Probe und der Flüssigkeit wandern weiter. Auf dem Teststreifen entsteht somit ein farbiger Streifen in dem Bereich, in dem die Antikörper auf der Oberfläche befestigt sind [12]. Enthält die zu untersuchende Probe keine Virusproteine, können diese Antikörper auch nicht das Virusprotein einfangen und eine Verfärbung an dieser Stelle bleibt aus. Im Prinzip funktioniert ein Lateral Flow Test also andersherum als ein Sandwich-ELISA. Beim Sandwich-ELISA wird im ersten Schritt das Antigen durch am Boden des Reaktionsgefäßes angebrachte Antikörper eingefangen und im zweiten Schritt werden weitere Antikörper für die Farbreaktion hinzugegeben. Beim Lateral Flow Test binden zuerst Antikörper für die Farbreaktion an das Antigen. Dieses wird aber nicht an einer festen Stelle eingefangen, sondern wandert zunächst mit den gebundenen Antikörpern weiter. Erst im weiteren Verlauf wird das Antigen von an der Oberfläche des Teststreifens befestigten Antikörpern eingefangen und eine Verfärbung wird somit sichtbar.
Die meisten Lateral Flow Tests benötigen für ihre komplette Durchführung gerade einmal 5 bis 30 Minuten. Zudem eignen sie sich oft auch für den heimischen Privatgebrauch. Für den Nachweis einer SARS-CoV-2 Infektion würden sie somit viel Zeit einsparen. Ob sie wirklich auch für den Privatgebrauch geeignet sein werden, muss sich zeigen. Limitierend könnte hier die Durchführung des Rachenabstrichs sein, der nicht ganz so einfach ist. Könnte man das Virus mittels solcher Tests auch im Speichel nachweisen, wäre dieses Problem gelöst.
Der momentan durchgeführte „Corona-Test“ mittels PCR ist zwar sehr präzise, erlaubt aber nur einen Nachweis einer Infektion bei frisch infizierten Personen. Das bedeutet, er funktioniert nur zuverlässig ungefähr in der ersten Woche, in der Symptome auftreten. Zuvor ist die Ausbreitung des Virus im Rachen des Infizierten noch zu gering und ein Nachweis somit nicht immer möglich. Ab der zweiten Woche der Symptome wandert das Virus in die Lunge und ist dadurch über einen Rachenabstrich nicht mehr oder nur sehr schwierig nachweisbar [1].
Die oben beschriebenen Antikörpertests können hierbei kaum helfen. Ein Schnelltest kann ebenfalls erst zuverlässig funktionieren, wenn sich das Virus ausreichend im Patienten ausgebreitet hat, erspart aber eine mehrtägige Wartezeit und entlastet gleichzeitig die Testlabore. Eventuelle Tests für den Privatgebrauch würden hier zusätzlich die Arbeit von Ärzten erleichtern. Doch das gilt nur für Schnelltests und ist nicht der Hauptgrund für die Wichtigkeit von Antikörpertests zum Nachweis einer SARS-CoV-2 Infektion.
Wie oben erwähnt, ist die genaue Zahl der infizierten Menschen in Deutschland unklar und es wird von einer hohen Dunkelziffer von bislang nicht erfassten Infizierten ausgegangen. Durch Massentests großer Bevölkerungsteile kann die tatsächliche Ausbreitung des Virus festgestellt werden, da einmal gebildete Antikörper gegen SARS-CoV-2 auch gegen Ende oder lange nach der Infektion nachgewiesen werden können. Was noch wichtiger ist: mit Hilfe der Antikörpertests können Menschen identifiziert werden, die bereits gegen das neuartige Coronavirus immun sind. Dadurch kann abgeschätzt werden, wie viele Menschen sich noch potentiell infizieren könnten und welche Maßnahmen zur weiteren Eindämmung der Pandemie zu treffen sind. Außerdem können Antikörpertests auch bei der Entscheidung helfen, welche Menschen die Versorgung von Patienten und Senioren oder das Unterrichten von Kindern übernehmen, da momentan fest davon ausgegangen werden kann, dass einmal infizierte Personen anschließend immun sind und nicht erneut an COVID-19 erkranken können. Auf diese Weise können Menschen, die zu Risikogruppen gehören, besser geschützt werden [1, 3, 6].
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Antikörpertests zum Nachweis einer SARS-CoV-2 Infektion nicht nur die Diagnose beschleunigen und vermutlich auch erleichtern würden, sondern die damit erhobenen Daten auch dazu beitragen würden, das Ausmaß der Pandemie besser zu verstehen und so die Gegenmaßnahmen der Virusausbreitung genauer abstimmen zu können.
Deine Meinung:
Wenn Du inhaltliche Anmerkungen oder Kommentare zu diesem Artikel hast, dann schreib mir einfach eine E-Mail. Ich freue mich sehr über jeden Kommentar und jede Anregung.
Weitere Artikel: